23. Juni 2017 - Archive, Format, Urteil/Beschluss

Bundesverfassungsgericht, Beschluss, Zugang zu Archivalien, 20.06.2017

Am 20. Juni 2017 hat das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zur Verfassungsbeschwerde der Journalistin Gaby Weber gefällt. Dieser Beschluss hat hohe Relevanz  für die weitere Entwicklung des des Grundrechts auf Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Grundgesetz).  Insbesondere zur Bedeutung der allgemeinen Zugänglichkeit historischer Quellen „für die Freiheitswahrnehmung des Einzelnen“ sowie das ihm „für die Kommunikation im demokratischen Verfassungsstaat zukommende Gewicht“  und die Frage einer „Zugangsverfassung“ für Forscher*innen und Journalist*innen ist sie bedeutsam.

Unter anderem führt das Gericht aus:

„Ob unter dem Gesichtspunkt der Wiederbeschaffung von in private Einrichtungen gelangten Dokumenten bei sachgerechter Auslegung des Informationsfreiheitsgesetzes vorliegend ein Anspruch der Beschwerdeführerin gegeben und damit der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 GG eröffnet ist, haben die Fachgerichte noch nicht entschieden. Zwar haben sie einen Anspruch der Beschwerdeführerin – sowohl nach den Vorschriften des Bundesarchivgesetzes als auch nach denen des Informationsfreiheitsgesetzes – insoweit verneint, als es um den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Anspruch gegenüber dem Bundesarchiv ging, welches die Akten nie in Gewahrsam hatte. Demgegenüber wurde die Frage einer möglichen Wiederbeschaffungspflicht der Akten durch die Behörde, bei der diese angefallen waren und die für diese zuständig ist, weder durch sie selbst geprüft noch – angesichts des begrenzten Streitgegenstands in den angegriffenen Entscheidungen – in die gerichtliche Prüfung einbezogen. Vielmehr stützt das Bundesverwaltungsgericht seine Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ausdrücklich darauf, dass in dem ihm unterbreiteten Verfahren entscheidungserheblich nur die Frage der Beschaffung von Informationen sei, die sich noch niemals im Besitz des um Gewährung von Informationszugang angegangenen Bundesarchivs befunden hätten. Um die Wiederbeschaffung von Informationen gehe es in diesem Verfahren nicht.
Unter diesen Umständen bleiben wichtige einfachrechtliche Fragen des von der Beschwerdeführerin mit ihrer Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Informationszugangsrechts ungeklärt und sind nach dem Grundsatz der Subsidiarität zunächst von den Fachgerichten zu klären. Soweit erforderlich, haben diese hierbei dann auch etwaige weitere Feststellungen zu dem tatsächlichen Charakter der in Frage stehenden Dokumente – etwa zu der Frage, ob es sich um amtliche Dokumente handelt – zu treffen, die sie bisher offenlassen konnten. Ungeachtet der Frage, ob der Beschwerdeführerin hinsichtlich der für den Antrag auf Informationszugang nach § 1 Abs. 1 IFG zuständigen Stelle ein Hinweis hätte erteilt werden müssen, kann auf eine zunächst fachgerichtliche Klärung dieser Fragen nicht unter Rückgriff auf § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG verzichtet werden.
Sofern sich nach fachgerichtlicher Auslegung ergibt, dass vom Grundsatz her ein Aktenzugang nach § 1 Abs. 1 IFG eröffnet ist, bedarf es für die weiteren Voraussetzungen und Maßgaben des entsprechenden Anspruchs einer Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes im Lichte der grundrechtlich gewährleisteten Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 GG. Dabei ist der Bedeutung der allgemeinen Zugänglichkeit der Quellen das ihr für die Freiheitswahrnehmung des Einzelnen wie für die Kommunikation im demokratischen Verfassungsstaat zukommende Gewicht beizumessen und mit entgegenstehenden Belangen in einen vertretbaren Ausgleich zu bringen.“

Die vollständige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 1978/13)

Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.07.2017

Mehr zum Thema Zugang zu Archivalien auf www.forumjustizgeschichte.de