30. Januar 2025 - Aktuelles, Allgemein

27. Jahrestagung, Geschichte strategischer Prozessführung in Deutschland, 26. bis 28. September 2025, Richterakademie Wustrau

„Strategische Prozessführung“ ist ein ebenso schillernder wie uneindeutiger Begriff. Beispiele für „strategische Prozessführungen“ aus der jüngsten Vergangenheit sind vielfältig. So verklagte ein peruanischer Landwirt einen Energiekonzern vor dem Oberlandesgericht Hamm auf teilweisen Ersatz seiner Kosten für lokale Schutzmaßnahmen gegen Folgen des Klimawandels. Pflegekräfte gingen in Karlsruhe strategisch gegen die Zustände in deutschen Pflegeheimen vor. Flüchtlinge aus Mali wehrten sich in Straßburg gegen Rückschiebungen an der spanischen EU-Außengrenze. Jemeniten verklagten die Bundesregierung wegen der Beteiligung an US-Drohneneinsätzen.

Von traditioneller unterscheidet sich strategische Prozessführung jedenfalls darin, dass sie jenseits des Prozesserfolgs im jeweiligen Einzelfall auch gesellschaftliche Veränderungen anstrebt. Mit Klagen in ausgewählten Fällen sollen Präzedenzentscheidungen mit Breitenwirkung erstritten werden, massenhafte Verfahren erzeugen (politischen) Druck und durch Selbstanzeigen oder Aktionen des zivilen Ungehorsams können ungerechte Straftatbestände skandalisiert werden.

Strategische Prozessführung nutzt für politischen Aktivismus mit juristischen Mitteln die Gerichte als Forum oder als Bühne. Das wirft interessante Fragen auf: Wie reagieren die Prozessordnungen und -kulturen auf Verfahren, in denen Beteiligte übergeordnete Ziele verfolgen? Wie gehen Richter:innen damit um und welche Seite der – vermeintlich so unpolitischen – Justiz zeigt sich dabei? Die gegenwärtige politische Entwicklung drängt schließlich zur Frage, welche rechtsstaatlichen und demokratischen Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit strategische Prozessführung überhaupt Erfolge erzielen kann.

Die 27. Jahrestagung des Forums Justizgeschichte will die in Deutschland noch vergleichsweise junge Debatte über strategische Prozessführung um eine historische Perspektive bereichern und thematisieren, inwiefern Akteur:innen im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und der Bundesrepublik auf verschiedenen Rechtsgebieten strategische Prozessführung betrieben haben.

 

Freitag, 26.09.2025

 

15.45 Uhr       Begrüßung durch Richterakademie und Vorstand

16.00 Uhr       Inhaltliche Einführung

16.15 Uhr        Carolina Vestena: Zwischen Strategie und politischer Zielsetzung: Eine Rekonstruktion historischer und aktueller Debatten um strategische Prozessführung

17.15 Uhr         Lisa Hahn: Jenseits des Einzelfalls: Deutungskämpfe und Handlungsspielräume für die strategische Nutzung von Recht im Spiegel der Zeit

18.30 Uhr        Abendessen

19.30 Uhr        Kamingespräch mit Lothar Zechlin zum Hochschulurteil des Bundesverfassungsgerichts (1973)

danach          Ausklang/Nachbereitung im Märkischen Keller oder im Freien am Seeufer

 

Samstag, 27.09.2025

 09.00 Uhr       Inbal Steinitz: Der Kampf jüdischer Anwälte gegen den Antisemitismus. Die strafrechtliche Rechtsschutzarbeit des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (1893–1933)

10.00 Uhr        Nicole Schraner: Visuelle Justizkritik: Die Gerichtsfotografie als strategisches Mittel der KPD in politischen Prozessen zwischen 1928 und 1933

10.45 Uhr        Kaffeepause

11.00 Uhr        Zoe Tappeiner: „Gott und dem Bundesverfassungsgericht sei Dank“ – Das Urteil zum väterlichen „Stichentscheid“ als strategische Prozessführung der Frauenverbände in den 1950er-Jahren

12.00 Uhr        Mittagessen

13.30 Uhr        Philipp Glahé: „Nürnberg ist eine Festung, die erst langsam sturmreif geschossen werden muss“ – „Politische Anwälte“ im Heidelberger Juristenkreis (1949-1955)

14.30 Uhr        Kaffeepause

14.45 Uhr        Katharina Rauschenberger: Ein Diplomat eigener Art. Der Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul als Repräsentant des „demokratischen Deutschland“ in westdeutschen NS-Prozessen

15.45 Uhr        Louisa Hattendorff: Bilka-Frauen. Strategische Prozessführung für Gleichberechtigung zwischen nationalen und supranationalen Gerichten

17.00 Uhr        Mitgliederversammlung des Forum Justizgeschichte e.V.

18.30 Uhr        Abendessen

19.30 Uhr        Informelle Fortsetzung im Märkischen Keller oder am Seeufer

 

Sonntag, 28.09.2025

 09.00 Uhr      Tim Wihl: Strategische Klagen gegen Racial Profiling in Deutschland

10.00 Uhr       Kaffeepause

10.15 Uhr        Podiumsgespräch zu Geschichte und Gegenwart strategischer Prozessführung mit Adriana Kessler und Ulrike A. C. Müller

11.15 Uhr         Abschlussrunde als fish bowl – Tagungsfazit und Ausblick

12.15 Uhr        Mittagessen

13.00 Uhr       Abreise

Wir danken der Otto Brenner Stiftung herzlich für die freundliche Unterstützung der Tagung.

Der Teilnahmebeitrag beträgt 200,- Euro für Nichtmitglieder, 185,- Euro für Mitglieder und 95 Euro für Studierende, Referendare und Erwerblose. Darin inbegriffen sind die beiden Übernachtungen samt Vollpension.

Dank der freundlichen Spende eines Mitglieds besteht die Möglichkeit Stipendien an Studierende und Referendare zu vergeben. Senden Sie hierfür bitte bis zum 31. August 2025 eine Bewerbung mit Motivation für den Besuch der Tagung und Lebenslauf an info@forum-justizgeschichte.de

Anmeldungen richten Sie bitte bis zum 10. September 2025 an info@forum-justizgeschichte.de.