Über Richard Schmid

Richard Schmid (1899 – 1986) war ein zutiefst unabhängiger Mensch, ein „Radikaler im öffentlichen Dienst“, wie ihn Hans-Ernst Böttcher zutreffend bezeichnete (Schleswig-Holsteinische Anzeigen 2001, Seite 53).

Nach dem juristischen Studium und der Promotion wurde er zunächst Richter, verließ jedoch das Amt, als er gegen seinen Willen während des Vorbereitungsdienstes Staatsanwalt werden sollte. Danach war Schmid seit 1925 in Stuttgart als Rechtsanwalt tätig. In dieser Zeit erfolgte seine „Politisierung“ insbesondere vor dem Hintergrund der erstarkenden NSDAP. Schmid verteidigte nach 1933 u. a. Mitglieder der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) und trat der Partei auch selbst bei. Seine anwaltlichen Auslandsreisen nutzte er zu Treffen mit im Exil Lebenden, u. a. mit Fritz Bauer in Dänemark.
Nach einer Denunziation der Freiburger SAP-Gruppe wurde Richard Schmid 1938 verhaftet und 1940 vom Volksgerichtshof wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Jahr 1941 wurde er unter Anrechnung der bereits verbüßten Zeit aus der Haft entlassen und mit einem Berufsverbot belegt. Er lebte dann in einem württembergischen Dorf als landwirtschaftlicher Zwangsarbeiter.

Die französische Besatzungsregierung setzte Richard Schmid 1945 zum Generalstaatsanwalt in Stuttgart ein. Im Jahr 1953 wurde er dort Oberlandesgerichtspräsident, in diesem Amt blieb er bis zu seiner Pensionierung 1964. Ab 1945 arbeitete er am Wiederaufbau der SPD in Württemberg mit, nach Verabschiedung der „Notstandsgesetze“ 1968 trat Richard Schmid aus der SPD aus.

Seit 1945 war Schmid zudem umfangreich als juristischer Autor tätig, schrieb für Tages- wie Wochenzeitungen und auch für den Rundfunk. Er veröffentlichte zahlreiche seiner Aufsätze zu juristischen Themen in drei Sammelbänden (1965 „Einwände. Kritik an Gesetzen und Gerichten“, 1975 „Das Unbehagen an der Justiz“ und schließlich 1984 „Letzter Unwille“). Im Jahr 1967 publizierte er zudem „Justiz in der Bundesrepublik“, eine zeitgenössische politische Soziologie der deutschen Justiz und ihrer Vergangenheit. Schmid veröffentlichte 1971 einen Grundgesetzkommentar für Alle: „Unser aller Grundgesetz?“ Immer und überall bezog er deutlich Stellung. Schmid sah – mit Fritz Bauer und Wolfgang Abendroth – den „politischen Streik“ als legal an. Hierdurch wurde Richard Schmid nach einem Aufsatz im Heft 1 der Gewerkschaftlichen Monatshefte 1954 zum Opfer einer Diffamierungskampagne in weiten Teilen der Presse, und er wurde ganz massiv vom SPIEGEL attackiert. Als er sich den Vorwürfen widersetzte, wurde er mit einem Privatklageverfahren überzogen und zunächst vom Amtsgericht Göttingen wegen übler Nachrede, später vom Landgericht Göttingen wegen Beleidigung verurteilt.
Noch 1959, als Schmids Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil bereits anhängig war, schrieb der SPIEGEL in einem Artikel „Richard Schmid, 60, wegen Beleidigung von Journalisten vorbestrafter Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart“ und setzte damit seine Polemik nahezu unverändert fort. Am 25. Januar 1961 hob das Bundesverfassungsgericht die Göttinger Urteile auf (BVerfGE 12, 113), dies war nach dem „Lüth-Urteil“ die zweite bahnbrechende und richtungweisende Entscheidung zum Umfang der Meinungsfreiheit.

Eine Chance zur Unabhängigkeit haben Richter nur dann, wenn sie sich ihrer Abhängigkeit bewusst sind, so das Fazit Richard Schmids, eine zeitlos gültige Aussage.

Volker Friedrich Drecktrah

Literatur von und über Richard Schmid

Literatur von Richard Schmid

Einwände. Kritik an Gesetzen und Gerichten, Stuttgart 1965

Streik und Aussperrung, Frankfurt am Main 1965

Justiz in der Bundesrepublik, Pfullingen 1967

Unser aller Grundgesetz? Praxis u. Kritik, Frankfurt am Main 1971

Aussperrung, Recht oder Unrecht?, Frankfurt am Main 1972

Das Unbehagen an der Justiz,

Letzter Unwille, Stuttgart 1984

Literatur über Richard Schmid

Böttcher, Hans-Ernst (Hrsg.): Recht, Justiz, Kritik: Festschrift für Richard Schmid zum 85. Geburtstag, Baden-Baden 1985

Böttcher, Hans-Ernst: Richard Schmid, Anwalt der illegalen sozialistischen Arbeiterpartei – Eine Skizze, in: Stiftung Adam von Trott, Imshausen e.V.

Die Rolle der Juristen im Widerstand gegen Hitler. Festschrift für Friedrich Justus Perels, Baden-Baden 2017, S. 91-136

Perels, Joachim: Liberalismus zu Ende gedacht – Richard Schmid, in: Joachim Perels, Recht und Autoritarismus. Beiträge zur Theorie realer Demokratie, Baden-Baden 2009, S. 338-344