25. Jahrestagung: Jurist:in werden. Ausbildung, „Handwerkszeug“, Haltung (1869-2023)

25. Jahrestagung, 20. bis 22. Oktober 2023, Deutsche Richterakademie in Wustrau/Ruppiner See

Seit 2022 soll in Jurastudium und Referendariat die Vermittlung des Rechts „auch in Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur“ erfolgen (§ 5a Abs. 2 Satz 3 Deutsches Richtergesetz, DRiG). Universitäten und Justizverwaltungen stehen jetzt vor der Frage, wie diese Vorgabe umgesetzt werden soll – und zu welchem Zweck. Kann sie die „Fähigkeit zur kritischen Reflexion des Rechts“ (§ 5a Abs. 3 DRiG) fördern? Können so Jurist:innen gar, wie im Gesetzgebungsverfahren argumentiert wurde, „Mut, Gegenrede und Widerständigkeit“ erlernen, also eine couragierte demokratisch-rechtsstaatliche Haltung?

Wesentliche Merkmale der heutigen juristischen Ausbildung finden sich schon im Preußen des 19. Jahrhunderts. Noch immer ist ihr einheitliches Ziel die „Befähigung zum Richteramt“ und dafür wird im Kern die Falllösung nach geltendem Recht gelehrt. Dem liegt die uneinlösbare Vorstellung einer empiriefreien, neutralen richterlichen Entscheidung zugrunde. Um Zweifel oder das Aushalten von Widersprüchen geht es kaum. Vermittelt die Jurist:innausbildung also weiterhin „ein mittleres Maß an Technik und ganze Waschkörbe von Ideologie“ (Helmut Ridder, 1971)?

Die 25. Jahrestagung des Forum Justizgeschichte will die alten und neuen Debatten um die juristische Ausbildung (Stichwort „iur.reform“) bereichern durch einen historischen Blick in die Zeit seit dem Kaiserreich. Kann die Befassung mit der Geschichte der Ausbildung dazu beitragen, heutige Selbstverständnisse, Denkmuster und Handlungsweisen von Jurist:innen besser zu verstehen und damit Veränderungen anregen?

Neben der formellen Ausbildung möchten wir auch berufstypische Sozialisationsmechanismen und den juristischen Habitus betrachten. Wie haben sich (angehende) Jurist:innen begriffen und wie wurden sie verortet zwischen Wissenschaft und Praxis, zwischen technisch-neutraler Rechtsanwendung, Machtausübung und der Suche nach Gerechtigkeit? Wo ergeben sich Kontinuitäten und Pfadabhängigkeiten, wo markante Veränderungen?

Programm

Freitag, 20.10.2023

15.45 Uhr        Begrüßung durch Richterakademie und Vorstand

16.00 Uhr        Inhaltliche Einführung der Tagungsleitung

16.10 Uhr        Anja Böning: Jura studieren. Zum Habitus in der juristischen Ausbildung

16.50 Uhr        Felix Speidel: Juristische Falllösung als Heldenreise. Welches Denken das Jurastudium vermittelt

17.20 Uhr        Diskussion, moderiert von Franziska Brachthäuser

18.00 Uhr        Abendessen

19.30 Uhr        Kamingespräch mit Ingo Müller und Hans-Ernst Böttcher: Der reformierte § 5a DRiG und die „furchtbaren Juristen“

danach            Ausklang/Nachbereitung im Märkischen Keller oder im Freien am Seeufer

Samstag, 21.10.2023

09.00 Uhr        Charlotte Johann: Die Juristische Ausbildung in der Historischen Rechtsschule

10.00 Uhr        David Kästle-Lamparter: Kommentare – Medien der juristischen Sozialisierung seit dem Kaiserreich

10.45 Uhr        Kaffeepause

11.00 Uhr        Clemens Boehncke: Informelle Juristenleitbilder in der Weimarer Republik am Beispiel der Zeitschriftenbeilage „Der junge Jurist“

12.00 Uhr        Mittagessen

13.30 Uhr        Benjamin Lahusen: Rechtserneuerung durch Geschichtsbewusstein. Die juristische Ausbildungsreform 1935

14.30 Uhr        Kaffeepause

14.45 Uhr        Lena Kunz: Die Rolle von Denkschulen in der Zivilrechtsdogmatik: Karl Larenz und die Zurechnung

15.45 Uhr        Rosemarie Will zur juristischen Ausbildung in der DDR

17.00 Uhr        Mitgliederversammlung des Forum Justizgeschichte

18.30 Uhr        Abendessen

19.30 Uhr        Informelle Fortsetzung im Märkischen Keller oder am Seeufer

Sonntag, 22.10.2023

09.00 Uhr        Nahed Samour: § 5a DRiG und Diskriminierung in der juristischen Ausbildung

10.00 Uhr        Kaffeepause

10.15 Uhr        Podiumsdiskussion zur Ausbildungsreform mit Inken Gallner (Bundesarbeitsgericht), Nils Jansen (Universität Münster) und Nergis Zarifi (Deutscher Juristinnenbund)

11.15 Uhr        Abschlussrunde als fish bowl – Tagungsfazit und Ausblick

12.15 Uhr        Mittagessen

13.00 Uhr       Abreise

Tagungskosten und Anmeldung

Der Teilnahmebeitrag beträgt 195,- Euro für Nichtmitglieder, 175,- Euro für Mitglieder und 80 Euro für Studenten, Referendare und Erwerblose. Darin enthalten sind zwei Übernachtungen und Vollpension in der Richterakademie).

Anmeldungen richten Sie bitte bis zum 30. September 2023 an info@forum-justizgeschichte.de.

Stipendium

Es besteht dank der Unterstützung durch ein Vereinsmitglied die Möglichkeit, für die Tagung ein Stipendium zu erhalten. Die Bewerbung auf ein Stipendium muss bis spätestens zum 23. September 2023 beim Forum Justizgeschichte eingehen. Der Wunsch nach einem Stipendium ist kurz zu begründen. Die Vergabe erfolgt entsprechend der zur Verfügung stehenden Mittel. Ein Rechtsanspruch besteht nicht. Das Stipendium umfasst die Reisekosten, die Teilnahmegebühren für zwei Übernachtungen und Verpflegung in Wustrau. Bewerbungen richten Sie bitte an: info@forum-justizgeschichte.de